Ernst Wilhelm Martius, Hofapotheker, Pharmazeut und Botaniker in Erlangen, geboren am 1. September 1756 zu Weißenstadt, gestorben am 12. Dezember 1819 in Erlangen, machte sich im Jahre 1795 durch die Veröffentlichung eines schönen Buches verdient, das er „Wanderungen durch einen Theil von Franken und Thüringen, in Briefen an einen Freund“ betitelte.
Der leider zu früh verstorbene Arzberger Schriftsteller Hans Hofmann brachte daraus bereits in seiner 1933/34 erschienenen Folge „Das Arzberger Ländchen im Spiegel alter und neuer Berichte und Beschreibungen“ (Arzberger Zeitung) einen unsere Heimatstadt betreffenden Auszug. Nunmehr haben wir Gelegenheit, auch den unterm 9. Oktober 1794 aus Schwarzenbach an der Saale datierten 22. Brief dieser „Wanderungen“ neuerlich ans Tageslicht zu bringen. Es ist der Bericht über eine geologische Tagesexkursion vonArzberg über Thiersheim nach Thierstein. Vielleicht nimmt ihn der eine oder andere geologisch Interessierte zur Veranlassung, nach eineinhalb Jahrhunderten die gleiche Entdeckungsreise anzutreten.
„Bald über Arzberg hinaus führte uns der Weg gegen Morgen bei einem Berge vorbei, in welchem ein mächtiges Lager von weißem Glimmerschiefer zu Tage ausstrich. Sodann kamen wir durch ein kleines Wäldchen, wo sich eine schöne rothe Siegelerde findet, die wie es scheint die Veranlassung gegeben haben mag, daß man das Wäldchen das Rothhölzel zu nennen pflegt. Bei Thiersheim, eine Stunde von Arzberg, sahen wir einen Marmorbruch, von welchem der körnigte Marmor oder Kalkstein bisweilen aus der weißen in eine grünliche Farbe übergehet. Auf seinen Schichten kommen auch zum öfteren Lagen eines aufsitzenden zollhohen krystallisierten Kalkspats vor. Dieser Stein wird ebenfalls zum Kalkbrennen benützt.
Oberhalb Thiersheim auf dem Felde fand ich eine sehr große Quarzdruse, die mit großen und kleinen Bergkrystallen verwachsen war. Als wir uns mit der Zerschlagung dieses Klotzes beschäftigten, lockte die Neugierde einige Bauern herbei, die uns sehr angiengen, ihnen doch zu sagen, wie man denn aus diesen Steinen Nutzen ziehen könnte. Unser Anzug und der in hiesiger Gegend noch allgemein erhaltene Glaube, daß die gemeinsten Steine des Fichtelgebirges öfters große Schätze enthielten, welche nur gewisse Ausländer aufzuschließen verstünden, mochte auch diese Leute glaubend machen, daß wir solche berüchtigte Italiener wären. Wir fanden ein Vergnügen daran, sie in dieser Meinung zu lassen, und äußerten noch beim Abschiede, daß wenn sie diese Steine so kennten wie wir, sie solche nicht auf dem Felde liegen lassen würden. Einer davon glaubte uns durch eine Invitation, bei ihm einzukehren, zur Mittheilung unseres Geheimnisses bereitwilliger zu machen, allein wir dankten für seinen. guten Willen und giengen weiter.
Bei Oberhöchstädt sahen wir in einiger Entfernung die Ruinen eines alten Schlosses, von welchem uns unser Bothe sagte, daß es Thierstein sey; eine Nachricht, die uns desto willkommener war, da wir schon von Wonsiedel aus den Weg dahin machen wollten, welchen wir jetzo durch quer Feld nahmen.
Schon in einer ziemlichen Entfernung von den Ruinen wurden wir mit der Gebirgsart bekannt, welche Thierstein für den Mineralogen merkwürdig machte, nämlich mit den Basalten dieser Gegend. Mit Erstaunen bewunderten wir endlich die außerordentliche Menge Basaltbrocken, die auf dem vor uns liegenden Berge aufgehäuft waren und über welche wir hinwegklettern mußten. An vielen derselben konnte man noch deutlich eine säulenartige Gestalt bemerken und der Olivin war fast durchgehends darin zuweilen in sehr be-trächtlicher Menge vorhanden. In einigen Basaltblöcken, die der Witterung bloß lagen, bemerkte ich, daß der Olivin daran noch eher verwittert war als der Basalt selbst: er war in dieser Gestalt sehr zerreiblich, gieng aus der grünen Farbe in das Ochergelbe über und machte sich schon durch die Erschütterung des Klopfens aus dem Basalte los.
Die Reste des Schlosses, welche auf der einen Seite dieses Basaltberges vorhanden sind und von einem ehemaligen ansehnlichen mit vieler Kühnheit aufgeführten Gebäude zeigen, bestehen größtentheils aus Basalt, wobei nur wenig Granit benutzt worden ist. Die Herren von Nothhaft waren die letzten Besitzer dieses Schlosses, Vor kurzem hat man in dem hohen runden Thurme, der einem Wartthurme ähnlich siehet, und zu welchem kein Eingang vorhanden war, unten eine Oeffnung eingeschlagen, um vielleicht in selbigem eine wichtige Entdeckung zu machen, die aber der Erwartung nicht entsprach. Die innere Einrichtung dieses Thurms, die von einer ohngefähr 5 Fuß dicken Mauer umgeben ist, besteht in åeinem zirkelrunden Raume, der im Durchmesser 6 Fuß beträgt und oben mit zween in gewisser Entfernung voneinander abstehenden zugemachten Absätzen versehen ist, durch welchen aber wieder in der Mitte eine viereckige Oeffnung hindurch geht. Dieser Thurm scheint also nicht anders als in jenen Zeiten des Faustrechts ein sogenanntes Burgerverlies gewesen zu seyn, worin man Gefangene aufzubewahren pflegte“.
Text: Dr. F. W. Singer, „Sechsämter Land“ Beilage der Sechsämter Neuesten Nachrichten, Jahrgang 9, Nummer 9, 30. Oktober 1958