Alte Bräuche um Erntezeit und Erntedank

aus dem brauchtumreichen Egerland

Sitten und Brauchtum waren in früheren, nicht allzufernen Jahrzehnten noch Gewohnheiten von besonderer Schönheit und Mannigfaltigkeit, die wir nervösen, abgehetzten und ich möchte fast sagen bodenlosen Menschen nach zwei Weltkriegen nahezu verloren haben. Man feiert wohl gerade in den Sommermonaten sehr viele Feste, die mehr den Charakter eines geschäftlichen Unternehmens tragen und gerne große Menschenmassen sehen, aber meist jeglichen volkstümlichen und erzieherischen Wert vermissen lassen.

So seien an dieser Stelle, ausgerichtet auf den [ehemals gefeierten] „Egerer Birnsunnta“ […] in Schirnding einige frühere Ernte- und Erntedankbräuche in Erinnerung gebracht, die das Leben und Treiben um diese Zeit im gesamten brauchtumreichen früheren Egerland umrahmten (nach Alois John „Sitte, Brauch und Volksglaube im deutschen Westböhmen‘).

Der Getreideschnitt (Ernteschnitt, O‘Schnid)

Der Getreideschnitt beginnt im Egerland gewöhnlich zu Jakobi. Das Getreide wird dabei mit dem „G‘rüst“ (einer Sense, die mit rechenartigen hölzernen Stäben zum Auffangen des abgehauenen Getreides versehen ist) gehauen. Die Ernte bedeutet den Höhepunkt der ländlichen Arbeit im Jahre und ist deshalb nach seiner Bedeutung entsprechend von einer, Menge von Bräuchen umgeben. – Kommt der Bauer oder die Bäuerin, während der Getreideschnitt in vollem Gange ist, zum ersten Mal aufs Feld hinaus, so werden ihnen (oder sonst einem Gaste) von einer Schnitterin die Schuhe mit der Schürze abgewischt und ihnen ein Strauß Feldblumen überreicht, wofür ein Geschenk erwartet wird.

Beim Garbenbinden auf dem Felde wird die erste oder werden die drei ersten Garben mit der Ährenseite feldeinwärts gelegt, dann „sammelt man mehr“. Läßt ein Schnitter beim Hauen einzelne Halme stehen, so wird er noch an demselben Tage vom Ziegenbock gestoßen.

Die letzte Garbe, der letzte Mäher

Die letzte Garbe trachtet man recht groß zu erhalten, um im nächsten Jahr recht viel Getreide zu bauen. – Beim Zusammenbinden der letzten Halme wird gebetet. Es herrscht der Glaube, daß, wenn ein Mensch im Zustand der Sünde ist, die Seele, um der Gewalt des Teufels zu entfliehen, Schutz in den letzten Halmen sucht. Solange diese stehen, hat der Böse keine Gewalt über ihn. Diese häufig auf den Feldern stehen gelassenen, obenan zusammengebundenen Halme (Stodl), in die man Blumen und Gras legt, heißen die „Wawa“ (= altes Weib). „Wawa“ heißt auch der, welcher die letzten Beete schneidet (man lacht ihn aus und er muß sich herumtragen lassen), ferner der, welcher das letzte Ährenhäufchen aufhebt. Ebenso heißt die letzte, gewöhnlich größer als die übrigen gebundenen Garben, „d‘ Wawa“. – Wer beim Schneiden des Getreides die letzten Halme abschneidet, beim Erdäpfelgraben das letzte Beet beendigt, wer den letzten Drischelschlag führt, beim Flachsbrechen zuletzt fertig wird, von dem sagt man: „er hat den Alten“. Früher setzte man ihm einen Kranz auf und trieb allerlei Schabernack mit ihm. Beim Mahle erhält er die größten Hefeknödel.

Das Erntemahl, der Erntekranz

Nach Beendigung des Ernteschnittes gibt es einen Ernteschmaus, bei dem Semmel und Milch, in größeren Höfen auch Fleisch und Bier aufgetragen wurde und der zuweilen (nicht immer) mit einem Tanze schloß. Man hieß dies Mahl im Egerland den „Floua“. – In Schönbach war nach der Ernte in früherer Zeit das „Hahnenschlagen“ üblich, wobei von einem, dem die Augen verbunden waren, mit dem Drischel nach einem Hahne geschlagen wurde. Im Schlesischen heißt der Ernteschmaus „Arhenne“ (Eimtehenne), dieses Gericht weist also auf ein früher übliches, besonderes Erntegericht, den gebratenen Erntehahn hin. – Sobald das sämtliche Getreide geschnitten ist, kehren die Schnitter, womöglich unter Begleitung eines Dudelsacks heim und setzen sich zur „Watschine“ (zur Abendmahlzeit), zu der diesmal statt der alltäglichen dicken Milch auch Brot, Käse und Bier aufgetragen wird. Die „Wawa“ bekommt außerdem noch eine Wuchtl (Buchtl, ein Hefengebäck), und zwar aus der Frucht zubereitet, in der sie „Wawa“ wurde. Während des Mahles bringt die Magd einen Kranz von Ähren aller Sorten, Blumen und Bändern, setzt ihn dem Hausvater auf den Kopf und spricht:

„D‘ Winta Zelch und d‘ Summa Zelch laun enk schöin gröißn, diaz schöllt‘s as mit G‘sundheit g‘nöißn, schöllts ‘s mit G‘sund wieda daleb‘n und uns an rechten Krauch Böia geb‘n!“

Im Karlsbad-Duppauer Gebiet übergibt eine Schnitterabordnung an dem Tage, an welchem das letzte Getreide unter der Sichel fällt, sowohl dem Hausherrn als auch der Hausfrau je einen aus Getreide und Feldblumen gewundenen mit farbigen Bändern geschmückten Kranz.

Erntedankfest

Außer diesem, nach Schluß der ernteüblichen Erntemahle und der Überreichung des Erntekranzes sind im Egerlande noch eigentliche Erntedankfeste üblich gewesen. Im Egerland fand dasselbe regelmäßig am letzten Sonntag im August, am Vinzenzisonntag, statt. An diesem Tage zogen von allen Kirchen- und Pfarrorten des Egerlandes die Pfarrer in Prozession unter den Klängen der Musik in die Stadt Eger ein. Um 10 Uhr fand von der Erzdekanale aus eine große Prozession um den Egerer Marktplatz statt, wobei früchte- und ährentragende Mädchen in weißen Kleidern im Zuge mitschritten. Die zahlreich folgende Volksmenge sang das Lied „O Vinzenz, Schutzpatron!“ Zahlreiche Obst- insbesondere Birnstände standen auf dem Marktplatze und bildeten besonders für die Jugend einen großen Anziehungspunkt. Das Vinzenzifest galt als das Erntefest des Egerlandes. An diesem Tage fand seit Jahren eine kleine landwirtschaftliche Ausstellung vor dem Brucktore statt.

Text: Dr. F. W. Singer, „Sechsämter Land“ Beilage der Sechsämter Neuesten Nachrichten, Jahrgang 1, Nummer 10, 26. August 1950

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