Eine Baustelle direkt neben dem Leipziger Flughafen: Zwischen den anderen Baumaschinen sticht der mächtig bereifte, vierachsige Kipper der HAD (Hochfranken Agrardienstleistungen) sofort heraus. Nur wenige Kilometer entfernt ist ein weiterer Lkw der HAD mit dem Gülletransport beschäftigt. Rund 100 km weiter westlich ist ein dritter Lkw ebenfalls als Güllezubringer unterwegs.
Die Unternehmer und Firmeninhaber von HAD Dominik Müller und Sven Bauer stammen nicht aus der Landwirtschaft. Ihre Heimat im Fichtelgebirge ist eher klein strukturiert und als Landwirt ohne Hof ist es schwierig, eine gute Anstellung zu finden. So haben sie sich schon früh Gedanken über mögliche Alternativen gemacht. Sven Bauer beschäftigte sich während seiner Zeit in der Techniker-Schule in Triesdorf bei einer Projektarbeit mit Agro-Trucks. Daraus entwickelte er die Idee, sich mit einem Spezial-Lkw selbstständig zu machen. Logistik war mit dem Biogas-Boom wichtiger geworden und er wollte auf eine Technik mit Alleinstellungsmerkmalen setzen. Mit dieser Idee holte er Dominik Müller als Partner mit ins Boot beide sprachen mit einem Konzept bei der Bank vor. Fast wider dem eigenen Erwarten gab es eine Kreditzusage der Bank, die in einer kraftstoffeffizienten Agrarlogistik ein Zukunftsthema sah. Mit dieser Zusage in der Hand machten sich die Anfang-Zwanzigjährigen vor über 10 Jahren auf die Suche nach einem geeigneten Fahrzeug.
Über einen Händler fanden die beiden Partner einen Umbauer, der sich auch auf den niederländischen Lkw-Hersteller Ginaf spezialisiert hatte, auf Fahrzeuge auf DAF-Basis mit verstärktem, hydraulischen Fahrwerk mit drei gelenkten Achsen und Hangausgleich. So machten sich die beiden auf die Suche nach einem gebrauchten Basisfahrzeug. Noch während des letzten Ausbildungsjahres zur Fachkraft Agrarservice von Dominik Müller wurde im Frühjahr 2012 mit dem Umbau des ersten vierachsigen Lkw begonnen. Ginaf-Lkws haben durch ihre Ausstattung ein relativ hohes Leergewicht. In den Niederlanden ist das dank einem höheren zulässigen Gesamtgewicht kein Problem. Eine Gesetzeslücke, die mittlerweile geschlossen ist, ermöglichte es mit verschiedenen Umbaumaßnahmen, den Lkw in Deutschland mit einem höheren zulässigen Gesamtgewicht aufzulasten und als LoF-Geräteträger zuzulassen. Trotzdem mussten sie in einer Nacht- und Nebelaktion den Lkw beim Umbauer abholen, da dort eine Insolvenz drohte. In Eigenregie haben Bauer und Müller dann den Lkw in der Werkstatt einer befreundeten Familie selbst umgebaut. Nur mit dem engagiertem Einsatz ihrer Freunde haben sie es aber trotz der entstandene zeitlichen Verzögerung dennoch geschafft. Neben einem Silagetransport-Aufbau mit 45 m³ Volumen entstand aus einem Bulk-Container ein Aufbau für den Gülletransport. Sven Bauer hatte bereits Verträge zum Miststreuen unterschrieben, und auch die Bank saß dem Team im Nacken. Kurzerhand wurde ein Schlepper-Miststreuer-Gespann gemietet, um die Aufträge abarbeiten zu können. Im Juni war der Lkw dann endlich fertig, und es folgten statt im Mist die ersten Einsätze in der Grassilage. Hier zeigte sich dann aber, dass ein 8×8-Lkw für mehr Traktion auf dem Silo die bessere Wahl gewesen wäre. Richtig in Fahrt sind sie dann aber bei den ersten Gülleeinsätzen in Mecklenburg-Vorpommern gekommen. Es stellte sich heraus, das System und Richtung stimmen, aber eine Allrad-Maschine unumgänglich schien. Aber die Jungunternehmer ließen sich trotz der Anlaufschwierigkeiten nicht entmutigen.
Im zweiten Jahr wuchs die Flotte der Hochfranken Agrardienstleistungen GbR bereits um einen zweiten Ginaf-Lkw: Von einem Berufskollegen konnte ein Vierachser mit Allradantrieb und verschiedenen Aufbauten übernommen werden. Der dritte Lkw war gleichzeitig der Sprung zum ersten Mitarbeiter von mittlerweile drei Festangestellten. Inzwischen ist auch der Fuhrpark auf fünf Ginaf-Lkw angewachsen.
Heute, mit zehn Jahren Erfahrung, sind Bauer und Müller noch immer von ihrer Lkw-Philosophie überzeugt: „Wenn es der Kunde will, fahren wir bei langen Schlägen als Gülletaxi im Bestand vor dem Ausbringgespann vorweg und verursachen dabei durch den wendigen Lkw mit drei gelenkten Achsen wenig Schäden am Vorgewende. In der Silage sind wir beim Anhäckseln durch die kompakten Maße ebenfalls im Vorteil“, hält Sven Bauer fest.
Auch um für den Einsatz der eigenen Ginaf-Flotte besser aufgestellt zu sein, ist die HAD GbR seit 2017 die bisher einzige offizielle Ginaf-Vertretung in Deutschland. Das Team hat Schulungen und ein Diagnosegerät erhalten und hält die wichtigsten Ersatzteile am Standort in Arzberg vor.
Mit dem Kauf des zweiten Lkw erstand die Hochfranken Agrardienstleistungen GbR auch einen Kippaufbau mit 24 m³ Volumen. Dieser stand erst einmal ungenutzt in der Ecke: „Wir haben gedacht, damit können wir nie etwas anfangen, Für Mais oder Getreide ist der Aufbau zu klein, für den Erdtransport zu groß.“ blickt Dominik Müller zurück. Eine Fehleinschätzung, wie sich später herausstellte. Im dritten Jahr des Bestehens der HAD GbR brach unerwartet ein wichtiger Gülle-Auftrag weg. Um den Ausfall abzufedern, wurde der Lkw kurzerhand für den baustelleninternen Verkehr angeboten. Das größere Ladevolumen, bessere Traktion sowie die Straßenzulassung machen den Geräteträger mit Kippaufbau flexibler als die klassischenBbaustellenfahrzeuge. Heute macht der baustelleninterne Transport bei einem großen eigenen Kundenstamm einen Großteil der Aufträge aus.
Seit vergangenem Herbst zählt auch ein großer Fendt Vario 942 samt Beco-Tridemmuldenkipper zum Fuhrpark. Der Schlepper soll auch zum Siloschieben angeboten werden. Die Logistik und das System Lkw ist und bleiben aber das Steckenpferd des Unternehmens. So sollen die Lkw auch wieder verstärkt im Silagetransport eingesetzt werden.
Die Lkw sind rund 15 Jahre alt, fünf bis zehn Jahre sollen sie noch laufen. 1 000 000 km sind für derartige Maschinen normalerweise kein Problem.
Inzwischen arbeitet die Hochfranken Agrardienstleistungen GbR als Subunternehmer für rund 10 verschiedene Lohnunternehmen.
Text/Foto: Lucas Coleman, profi – Das Magazin für Landtechnik, 5-2022