Bei der Übergabe der neugestalteten Posträume im ehemaligen Amtsgerichtsgebäude am 4. März (1954) schilderte Postamtmann Erich Beyer, Selb, die Entwicklung der Posteinrichtungen, wie sie auch Karl Scherzer in den 1926 erschienenen „Erinnerungsblättern“ darlegte.
Dank seiner günstigen Lage an der alten Handelsstraße Frankfurt – Würzburg – Coburg – Kulmbach – Eger – Prag wird der Markt Thiersheim schon in der Frühzeit der Postgeschichte (um 1690) genannt. In einem „Kurtzen Bericht“ des Postamtes Eger vom Jahre 1697 – Wenn der Röm. Kayserl. Majestät fahrend- und reitende Ordinari-Posten alhier in Eger ankommen und abgehen – wird u.a. bemerkt, daß dienstags und sonnabends nachmittags um 4 Uhr zwei reitende Posten zugleich über „Gefröß, als eine auf Bayreuth, Nürnberg“ usw. ins Reich abgehen, die andere „über Hoff, Schlaitz, Gerau auf Leipzig“ usw. in die Niederlande. „Über dieses gehen auch noch etliche Ordinari und Extraordinari-Boten an viel Ort ab, als in Robitz, Wohnsiedel, Artzberg, Tirschheim, Weistad, Hohenberg, Schirnding (usw.)“
1700 wurde eine Landkutschenfahrt von Frankfurt über Kulmbach nach Eger – Prag eingeführt und 1786 die Reichspost nach Weißenstadt verlegt. Jeweils samstags traf der Thiersheimer „Felleisen-Reiter“ aus Böhmen in Thiersheim ein, worauf die Briefsachen noch am gleichen Tage nach Weißenstadt weiterbefördert wurden.
Im Zuge der weiteren Entwicklung wurde in Thiersheim am 1. Juli 1843 eine Postexpedition errichtet, die der dortigen Posthalterei (diese bestand wegen des inzwischen eingeführten Eilpostwagen-Courses zwischen Würzburg – Eger schon längere Zeit) angeschlossen wurde. Von besonderem Interesse ist, daß damals Selb der Postexpedition Thiersheim zugeteilt war; die heutige Porzellanstadt erhielt erst sechs Jahre später (1849) eine eigene Postexpedition. Im Jahre 1851 erfolgte eine allgemeine Umwandlung der Eilwagen-Course in Omnibusverbindungen; am 1. Juli 1864 wurde eine Omnibusverbindung Thiersheim – Mitterteich eröffnet, die sich ab 1865 in Thiersheim – Waldsassen änderte. Gleichzeitig wurde die Linie Kirchenlamitz – Rehau – Selb aufgehoben, während der Poststall Wunsiedel täglich eine Omnibusfahrt nach Thiersheim – Höchstädt – Selb und der Poststall Thiersheim eine Karriolpostverbindung nach Schirnding ausführte. Diese Linien kamen später im Zuge der Veränderungen durch den Bahnbau wieder in Wegfall. Die meist acht- bis zehnsitzigen Omnibusse wurden von drei Pferden gezogen.
Der Postexpedition Thiersheim wurde 1872 eine Morse-Telegraphenanstalt angeschlossen, die 1908 durch den Fernsprecher ersetzt wurde. Am 1. Oktober 1898 war Thiersheim in eine Postagentur und diese am 1. August 1939 in ein Zweigpostamt umgewandelt worden, das nunmehr Selb untersteht. (…) Der Poststall war bis zur Inbetriebnahme der Bahnstrecke Selb – Holenbrunn am 1. Mai 1914 im Hause Nr. 47, dem jetzigen „Gasthof zur Post“ untergebracht.
Die 81jährige rüstige Witwe des letzten Poststallhalters, Frau Johanna Thoma, geb. Reihl, Schwiegermutter des ersten Bürgermeisters Richard Gläßel (im Volksmunde des öfteren Posthalter genannt), weiß noch allerlei amüsante Begebenheiten zu erzählen. Frühere Postillone waren Joh. Riedelbauch aus Thiersheim, der 29 Jahre lang die Postkutsche fuhr; er wurde von Johann Jäckel aus Seußen abgelöst, der sogar eine 31jährige Postillonszeit hinter sich brachte. Dieser schlief einmal auf dem Bock ein und die Kutsche blieb einen halben Tag „in der Hut“ stehen. Ein andermal sei die Kutsche umgefallen, als der Postillon mit den „Weibsbildern“ scherzte und da konnte er sein Posthorn nicht mehr finden. Die Schulkinder liefen der Postkutsche weit entgegen, wenn aus dem Walde heraus auf der damals noch sehr holprigen Straße Thiersheim – Holenbrunn die bekannten Weisen aus dem Posthorn ertönten: „Ich hab‘ Dir was mitgebracht, hab‘ Dir was mitgebracht, aber kein Geld.“
Die letzte Postkutsche von Thiersheim nach Holenbrunn fuhr am 30. April 1914 mit dem Postillon Konrad Drescher (…). Diese letzte Fahrt wurde im Bilde festgehalten. Die Postkutsche war Eigentum des Posthalters und bot 9 bis 10 Personen Platz, weitere zwei konnten neben dem Postillon auf dem Bock sitzen. Auch die Gespanne waren Eigentum des Stallhalters. (…) Die Uniform war Posteigentum und mußte bei Auflösung des Poststalles nach Bamberg abgegeben werden.
Text: Dr. F. W. Singer, „Sechsämter Land“ Beilage der Sechsämter Neuesten Nachrichten, Jahrgang 4, Nummer 22, 13. März 1954