Unter den kirchlichen Festen, die schon seit der vorreformatorischen Zeit eine starke Betonung durch entsprechendes Brauchtum erfuhren, stand Ostern mit an erster Stelle.
„Dieweil itzund eine heilige Zeit ist“, tagte das Wunsiedler Stadtgericht 1513 erst wieder 14 Tage nach Ostern. Zum gemeinsamen Essen, zur „Ostermahlzeit“, wurden die Honoratioren in den Pfarrhof eingeladen. Hierüber berichtet der Weißenstädter Bürgermeister Christian Erdmann Pöhlmann (1668-1732) in seiner „Kurzen Beschreibung der Stadt Weißenstadt“ ausführlicher unter der Überschrift „Osterfladen im Pfarrhof“:
Es ist etwa vor Alters und vor dieser Zeit zu Weißenstadt herkömmlich und alt löbliche Gewohnheit gewesen, daß Bürgermeister und Rat zur österlichen Zeit und gemeiniglich am Ostermontag auf die Osterfladen in den Pfarrhof gebeten worden; und unter solchem Titul und Namen selbige nebst einem Essen und anders, also eine unvorgeschriebene Mahlzeit genossen, da dann gemeiniglich Burgermeister und Rath einige Kuchen-Verehrung gethan, auch was am Wein-Getränk dabei aufgegangen, solchen auch von gemeiner Stadt wegen dahin geschicket und bezahlet worden. Wie man denn findet, daß öfters 10, 12, auch wohl 15 Maß Wein dabei ausgetrunken worden, wie denn solcher Osterfladen-Gebrauch von Anno 1508 noch anzuzeigen ist, ohne wie lang zuvor es mag geschehen sein.
Übereinstimmend ist aus allen Belegorten festzuhalten, daß eine von der Kirche gespendete Osterspeise als „Fladen“ bezeichnet wurde. Der Name deutet wohl auf eine Scheibenform des Gebäcks nach Art der ungesäuerten jüdischen Brote hin. Die Fladen gehörten zum „Ostergesegneten“. Eine weitgehende Ähnlichkeit des Fladens mit dem süßen jüdischen Kultgebäck ist von Wunsiedel her bezeugt. „In der Karwoche gab es im Wunsiedler Hospital Brezeln. Auf Ostern aber gab es damals schon eigens Eier, dann Kitz- oder Lammfleisch und einen großen Osterfladen. So werden nach Ostern 1469 ‘fur pretzen vnd flodentaigk‘ 19 Groschen ausgelegt. Zwei Jahre vorher aber werden Rosinen in die ‚mosantzen‘ gekauft, 1481 aber 8 Groschen ‚amb fleden vnd mosantzen‘ ausgelegt. Man verwendete also sogar den Ausdruck für Judenmatzen auf das Ostergebäck“. Im Bayerischen Wörterbuch erläutert J. A. Schmeller: „Die Mosanz ‘oder Matze der Juden“. Was die Größe des Wunsiedler Osterfladens betrifft, so sei daran erinnert, daß z.B. der Wiener Osterkuchen so groß wie ein Pflugrad beschrieben ist. Die „pretzen“ in der Karwoche waren ein altes Frühlingsgebäck. A. Mitterwieser äußerte sich außerdem: „Ich finde Andeutungen, daß am zweiten Osterfeiertag der Rat im (Wunsiedler) Bruderhaus wieder bewirtet wurde“, Der Osterfladen scheint auch dabei die Hauptspeise gewesen zu sein.
Von hohem Interesse ist eine Nachricht aus Arzberg von 1592. In den Kirchenvisitations-Protokollen nach der Reformation wurde den Sitten der Bevölkerung jeweils große Aufmerksamkeit gewidmet. Das strenge neue Kirchenregiment hatte viel zu beanstanden. Alte Brauchtumskomplexe wurden als Überbleibsel papistischen Mißbrauchs angeprangert. In Arzberg ging es dabei um die Sonderform einer kirchlichen Prozession an Ostern, die sich bis um 1592 gehalten hatte.
„Vff etliche puneten Herrn Pfarrers beschwerunge giebt der Raht dieße antwortt: 1. Mit dem reyten vffden samen in der Osternacht, soll es vor Zeiten geschehen sein, wüsten nit, ob die Maydt dabeiy weren, sollt abgeschafft werden vnd nit mehr geschehenn“. Dieses „Reiten auf den Samen in der Osternacht“ ist als eine ausgesprochene Entdeckung zu werten. Einen analogen Brauch haben wir in der weiteren Umgebung vorläufig nicht ausfindig machen können. Aus anderen fränkischen Gebieten sind ausschließlich Pfingstritte überliefert. Mit dem Reiten auf den frisch ergrünten Fluren sollten die Felder fruchtbar gemacht, die Feldfrüchte vor Unwetter und anderen schädlichen Einflüssen bewahrt werden. Die kirchliche Verbotstätigkeit setzte den Hebel offenbar bei der möglichen sittlichen Gefährdung an: „ob die Maydt dabey weren“.
Während der eine Brauch seinen alten Nimbus verlor, trat ein anderer, wie in allen protestantischen Gebieten, stärker hervor: Das Umsingen der Chorschüler an den Feiertagen, besonders an Ostern und Weihnachten. Nachrichten über ältere Umsingebräuche sind vorläufig nicht vorhanden. Aus dem Schlottenhofer Gemeindearchiv liegt eine Aktennotiz vor, wonach am 7.12.1840 ein Termin beim Landgericht angesetzt war „wegen Entschädigung des Herrn Lehrers und Chorrektor Hofmann Arzberg für das früher gewöhnlich gewesene Weihnachts- und Ostersingen“. Der Chorrektor sollte eine jährliche Entschädigung von 43 Kreuzern (für seinen Verdienstausfall) erhalten. Zu einer endgültigen Ablösung der Hand- und Spanndienste für die Kirchengemeinde, des sog. Orgelgroschens und des Singgelds in Arzberg ist es nach einer Meldung in der Sechsämter Neueste Nachrichten (Arzberger Zeitung) vom 17.5.1938 erst um diese Zeit gekommen.
Die Osterfeiertage durften wohl auch nicht ohne Tanzveranstaltung verstreichen. In einer Sitzung vom 12.4.1821 beschloß der Arzberger Magistrat: „Wird der Anger an die darum gemeldeten Bürgersöhne dahier am zweiten und dritten Ostertage unentgeltlich überlassen.“
Text: Dr. F. W. Singer, „Sechsämter Land“ Beilage der Sechsämter Neuesten Nachrichten, Jahrgang 25, Nummer 1, 25. März 1978