Das verschobene Weihnachtsfest

Eine Deas-Gschicht von Otto Schemm

„Mutta! Mutta!“ Schorschl stürmt mit den Schlittschuhen über der Schulter herein. „Mutta! Von Deas dri(b)m brennt da Christbaam und singa toun‘s aa“!

„Wos? Heit am 28. Januar? – Döi wean doch niat iwagschnappt saa?“

„Schau ma amal üwi, Mutta!“ schlägt Schorschl vor und feuert seine Schlittschuhe in die Kanapee-Ecke.

„Intressiern diat‘s mi scha, wos döi trei(b)m“, meint die Mutter und nimmt Schorschl bei der Hand. „Gestan howi an Deas mit an Baimla von Wold hamkumma seah!“ – Draußen pfeift der „Böhmische“ um die Ecke und beißt sie in Stirn und Nase. Im Hausflur beim Deas warten sie noch ein bißchen, weil die drinnen feierlich und ganz schön dreistimmig das Lied vom Tannenbaum singen. Beim Eintreffen strömt ihnen dann der wohlbekannte Duft, gemischt aus brennenden Kerzen, Fichtenharz, Weihnachtsstollen und Feiertagszigarren entgegen. Unter dem Lichterbaum liegen die Geschenke, geschmückt mit farbigen Bändern und Tannenzweigen. Der Tisch ist festlich gedeckt. Eine Flasche, schon halb geleert, steht da, und in den Gläsern spiegelt sich der Glanz der Kerzen. Deas, Maich und Hans haben sich schön angezogen und sind bester Laune.

„Ja – ja, wos macht‘s denn dau“ bringt die Nachbarin endlich verwundert hervor.

„Wos ma machn? Weihnachtn feiern ma!“ lacht Deas durch den blauen Qualm seiner Zigarre.

„Heint eiascht??“

„Warum denn niat? Mia haltn Weihnachtn, wenn mia wolln!“

„D‘ Russn haltn‘s aa eiascht am 6. Januar. Mou niat iwarall gleich saa!“ läßt sich auch Hans vernehmen.

„D‘ Russn! Owa mia sen doch in Deitschland!“

„Eitza setzts eich zeiascht amal! Dau, Schorschl, sen Plätzla und Lebkouchn! Lang! nea zou! – Und eitza daziahla da, wöisua mia eiascht heint feian. Easchtns is dös gaua niat araaßn, wenn Christi Geburt war! Howi eiascht vor a boa Wochn in da Zeitung glesn. Zweitns – ünd eitza kinnt as Wichtigste: Wos kost heint a A (Ei)?“

„Zwanzig Pfenning!“

„Falsch, Nachbari! Mia hom‘s fia fufzeha kröigt! – Wos homs vor Weihnachtn kost?“

„Achtavierzig“.

„Richti! Mecht draadreißig Pfeng Unterschied! Wöiviel haust kaaft, Mutta?“

„Nu, 20 Stick!“

„Homa gschpart? … Rechn, Hans!“

„…?“

Ach, bist du a Kerl! Mecht alloi vo die Oia 6 Mark 60, mei

Liawa! De Emm! Koi Ramschmark! – Wos kost dea Bulowa?“

„Oinazwanzig.“

„Und vor Weihnachtn?“

„Neinazwanzig.“

„Siast und sua geihts weita! Bumaranzn, Niss, Maneln, Schnaps, as Schweinane …, waust hischaust: Alles is bülicha woan. – Lang amal an Bleistift iwa, Mutta!“ Deas kritzelt auf den Zeitungsrand eine Menge Zahlen, zieht einen Strich darunter addiert. „Ich hos awenig iwaschlo(g)n – mia hom bal 60 Mark gschpart, waal mia unna Weihnachtn vaschua(b)m hom.“

„Ja, du warst scha allawaal ka Dumma“, sagt die Nachbarin und schiebt, noch immer ganz benommen, ein Stück Stollen in den Mund.

„Und stell da via“, fährt Deas fort, „wenn dös alla Leit sua machatn wos dann gschpart wean kennt! As wiad sua 300 Mülliaona Famülien ge(b)m aaf da Welt! 300 mal 60… dös waan, wart amal…18 Mülljardn Mark kanntn dau gschpart wean, wenn d‘ Leit vanimfti waan!“

Verwirrt von soviel Zahlen ist die Nachbarin. aufgestanden und steht nun mit Schorschl an der Hand unschlüssig an der Tür. „Also dann … dann … gsund Feiatoch!“

„Dankschöi! Gleichfalls!“ kommt es fröhlich zurück und sie hört im Flur noch, wie sie drinnen anstoßen auf ihre verschobenen Weihnachten.

Text: Dr. F. W. Singer, „Sechsämter Land“ Beilage der Sechsämter Neuesten Nachrichten, Jahrgang 11, Nummer 14, 22. Dezember 1960


Auch der Arzberger Mundartdichter Otto Schemm kam im „Sechsämter Land“ bei Friedrich Wilhelm Singer immer wieder zu Wort. Dieses Mal gehen wir noch einmal 58 Jahre zurück in das Jahr 1960 als in der Ausgabe vom 22. Dezember eine zum Weihnachtsfest passende oder besser gesagt zeitlich verschobene Geschichte zum Abdruck kam..

 

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