Ehrenrühriger Kirchweihklatsch in Thiersheim (1549)

Sechs Wochen nach der Thiersheimer Kirchweih des Jahres 1549 kam es zu einem gerichtlichen Nachspiel. Das Wunsiedler Stadtgericht hatte sich mit einer Verleumdungsklage des Albrecht Koser, Bürgermeister in Thiersheim, gegen seinen Mitbürger Augustin Dobner zu befassen. Aus den Zeugenaussagen glaubt man noch den Duft des Kirchweihbratens und des kommungebrauten Biers zu schmecken, denn es standen nicht nur die Tischgespräche der Thiersheimer Kirchweih an Ägidi, sondern auch die der Redwitzer Kirchweih an Bartholomäi zur Debatte, als der Stadtrichter Jorg Mißpach auf Befehl des Amtmannes Hans Ochs am Tag Galli 1549 das Zeugenverhör anstellte.

„Hans Nagel von Wunsiedel, der erste Zeuge, sagt, wie er am Tag Egidii gen Thiersheim in seinen Geschäften kommen, da hab ihn der Augustin vor dem Thore angesprochen, er sollt sein Gast sein. Hab ihm der Zeuge zur Antwort geben, er wolle hinein in (den) Markt und sein Sach ausrichten; so er aber wieder heraus gehe oder keinen andern Wirt bekomme, so wolle er dennoch zuvor mit ihm einen Trunk tun. Wie der Zeuge also in den Markt kommen, hab ihn der Albrecht Koser, mit dem er in langer Kundschaft gewest, zu Gast geladen. Mit dem hab er dann gegessen, ihm auch gemütlich getan und guten Willen bewiesen. Darum hab er auch, wiewohl wider Kosers Willen, für sich und seinen Diener, den er bei sich gehabt, 48 Pfennige an die Zeche gegeben und dann seinen abweg von dem Koser genommen. Als er aber wieder vor das Thor gekommen, hab er seiner vorigen Zusage nach, den Dobner zu Hause aufgesucht und einen Trunk mit ihm tun wollen. Da hab der Dobner gefragt, warum er doch nit mit ihm gegessen hab. Hat der Zeuge geantwortet, es hab ihn sein guter Freund, der Koser, zu Gast geladen, der hab ihm wahrlich gütlich getan. Darauf hab Dobner sobald gesagt: ‚Ja sollt der Dieb einem nit gütlich tun, er hat dem Schwertfeger zum Codau (= Chodau in Nordwestböhmen) 400 Gulden gestohlen!‘ Da wäre der Zeuge über solche Rede erschrocken und habe gesagt: ‚Lieber Dobner, was redet ihr, der Koser ein frommer, redlicher Mann, er wird solches nit tun haben!‘ Darauf habe Dobner wieder gesagt: ‚Wie nit tun? Hat doch solches der Jörgen Hans zu Redwitz von einem ganzen Tisch geredet. Dazu hat des Kosers Schwager ihn den Koser solches vor einem ganzen Rat zu Thiersheim bezichtigt, dessen hat er sich auch noch nit ausgeführt.‘ Da hätte sich der Zeuge über solche Rede (derart) entsetzt und erschrocken, daß er mit dem Dobner keinen Trunk tun wollen und weggegangen.“

Der Zeuge Hans Harlas, genannt Steudel, von Bernstein schilderte, nachdem er ebenfalls vom Gericht vereidigt worden war, die Ereignisse am Montag nach Sanct Bartholomäi Tag, also an der Nachkirchweih, in Redwitz: „Es sei in des Hansen Fuchs Behausung geschehen; da sei der Jörgen Hans von Böheim (= Böhmen) auf der Bank gelegen und hab geschlafen. Wie er aufgestanden habe er gesagt, der Albrecht Koser zu Thiersheim habe dem Schwertfeger zum Codau 400 Gulden an Meißner Gulden, die soviel Taler gemacht, gestohlen. Wenn der Schwertfeger den Koser noch wüßte, daß er an dem Ort (in Thiersheim) wäre, so ließ er ihn noch (heute) henken. Darauf hab Hans Deling gesagt: ‚(Mein) Lieber, sollt ers (wirklich) tun haben?‘ Hab der Jörgen Hans geantwort: ‚Ja er hats tun!‘ Da hab Augustin Dobner gesagt: ‚Ich habs (schon) lang wohl gewußt, aber nichts davon sagen wollen, denn sein Schwager, der Jorg Stretz, hats ihm einsmal zu Thiersheim vor einem ganzen Rat und Gemeind verhoben‘.

Hans Urling von Stemmasgrün war auch zu Redwitz „uff der Kirba gewest“ und hatte den Jörgen Hans so reden hören. Als er damals frug, welchen Albrecht er meine, hatte der Jörgen Hans zur Antwort gegeben: „Den schickletten (= schielenden) Albrecht Koser.“

Der gute Ruf des sonst als fromm und redlich bezeichneten Bürgers und Bürgermeisters war stark in Gefahr. Sein ihm offenbar mißgünstiger Nachbar erschien schon recht unsicher vor Gericht und wollte sich darauf hinausreden, daß er bei einem vollen Trunk vielleicht etwas gesprochen habe, dessen er sich nicht mehr genau erinnern könne. Er für seine Person wisse von Albrecht Koser und allen seinen Kindern nichts anders zureden als von einem „frommen Mann“ und unbescholtenen Leuten. Was ihm von dem gestrengen Herrn Amtmann zu Thierstein als Strafe auferlegt würde, müsse er jetzt wohl oder übel erleiden und hinnehmen.

(Quelle: Stadtarchiv Wunsiedel, Akt IX/68)

Text: Dr. F. W. Singer, „Sechsämter Land“ Beilage der Sechsämter Neuesten Nachrichten, Jahrgang 16, Nummer 2, 06. März 1965


Gelegentlich grub Dr. Friedrich Singer auch Alltagsgeschichten der Vorzeit für das „Sechsämter Land“ aus. Diese zeigen auf der einen Seite recht deutlich, mit welchen Untugenden man damals zu kämpfen hatte. Andererseits ist es erstaunlich wie ähnlich diese der Gegenwart noch sind. Um dieses „gerichtliche Nachspiel“ vollends zu verstehen, muss man es der Sprache wegen doch mehrfach lesen.

 

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