Wunderlich wunderbar: Danke für das schöne Geschenk!

Eine Weihnachtsgeschichte

Das Christkind hat sich beim alten Hifinger, pensionierter Postbeamter in Rosenheim dieses Jahr besonders reichlich eingestellt. Seine Kinder sind schon lange aus dem Haus und leben in ganz Deutschland verstreut. Mit dem Besuchen hat es diesjahr nicht geklappt, aber sie haben ihn nicht vergessen, den Vater, und alle haben ein schönes Geschenk geschickt.

Von der Lotte, die in Freiburg verheiratet ist, und die für die Antike schwärmt, hat er eine sehr schöne Nachbildung der Venus von Milo bekommen; ein bisschen nackt war sie halt!

Aus Lüneburg – vom Xaverl – naja, jetzt heißt er Franz, weil Xaverl kann seine Frau nicht sagen, die ist von da droben – ist ein Familienfoto gekommen. Er und sie und die Kinder in einem schönen Silberrahmen.

S´Roserl, die immer recht praktisch war, hat ihm aus Viechtach drei paar schöne Unterhosen geschickt und vom Toni ist eine Originalradierung „Heilige Affen“ gekommen.

Der Jupp aus Köln – naja, früher hat er Beppi gehießen – hat dem Vater schöne warme Handschuhe geschickt und am Heiligen Abend ist noch ein Paket aus Oldenburg gekommen vom Peter, da war eine elektrische Heizdecke drin.

Am ersten Weihnachtsfeiertag, setzt sich der Hifinger gleich hin, um sich für die schönen Geschenke zu bedanken. Weil er als alter Beamter gelernt hat, dass man schnell, umsichtig und rationell arbeiten muss, hat er erst alle Umschläge geschrieben, hintereinanderweg und gleich die Briefmarken draufgeklebt, und dann hat er sich drangemacht, für jeden ein freundliches Dankesbrieferl zu verfassen. Bevor er aber dazugekommen ist, die Briefe alle in die Umschläge zu stecken, ist sein Freund, der Gschwendtner Max gekommen. Der war früher bei der Polizei, jetzt ist er schon pensioniert. „Geh weider“ hat er gesagt, das kannst du morgen auch noch machen. Jetzt über die Feiertage wird die Post doch nicht befördert, das müsstest du als alter Postler doch wissen. Gehen wir zum Oberbräu, da läuft heut ein zünftiger Schafkopf!

Naja, der Hifinger hat das eingesehen und ging mit. Es ist ein recht lustiger Abend geworden und es war schon spät, als er wieder nach Hause kam. Er wollte gleich ins Bett, aber dann sah er die Briefe und die Umschläge liegen, und weil er so aufgedreht war vom zünftigen Abend, hat er das Radio eingeschaltet, Musik gehört, hat noch eine Halbe getrunken und dabei die Briefe in die Umschläge gesteckt, nur hat er dabei leider ein bisschen was durcheinandergebracht.

So hat die Lotte in Freiburg, die mit dem Antik-Tick und der Venus ganz erstaunt gelesen: Liebes Kind, vielen Dank für dein schönes Weihnachtsgeschenk. Ich hab sie gleich mit ins Bett genommen und sie hat mir die ganze Nacht warmgemacht. So etwas hab ich mir schon lange gewünscht.

Der Peter in Oldenburg dagegen, der die Heizdecke geschickt hatte, hat sich nicht weniger gewundert, als er da gelesen hat: Deiner kostbaren Weihnachtsgabe habe ich einen Ehrenplatz im Glaskasten eingeräumt.

Aber auch das Roserl, das die drei warmen Unterhosen geschickt hat, ist ein bisschen blass geworden, als es gelesen hat: Hab sie gleich angezogen und mich heut abend damit beim Oberbräu gezeigt. Sie sind allgemein bewundert worden, besonders von der neuen Kellnerin. Hoffentlich verlier ich sie nicht gleich.

In Köln, wo die warmen Handschuhe her waren, hat der Sepp, alias Jupp, genau so verwundert gelesen: Da hast du mir wirklich eine große Freude gemacht, und sie passen gut, auch um den Bauch und den Hintern herum!

Aber erst der Toni in München, der die Radierung „heilige Affen“ geschickt hat, der hat vielleicht geschaut, als er gelesen hat: Ihr seit wirklich alle sehr gut getroffen. Das Bild häng ich im Wohnzimmer auf, damit ich eure lieben Gesichter immer vor mir habe!

Naja, und der Franz-Xaverl in Lüneburg, der das Familienfoto übersandt hat, der hat gleich ein paar kernige bayerische Flüche losgelassen, von denen er gar nicht gewusst hat, dass er sie noch kann, schreibt doch da der Vater: So ausdrucksvolle Affengesichter hab ich wirklich lang nicht mehr gesehen. Da kann man sich richtig vorstellen, dass der Mensch vom Affen abstammt.

Also, wir müssen doch mal nach ihm schaun, dem Vater, haben die Kinder gesagt, denn es scheint, er wird doch ein bisschen wunderlich.

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