Bäuerliches Leben in Münchenreuth um 1900

von Hans-Günther Tröger, Arzberg

Der nördliche Teil des Stiftlandes ist eine kernige Gegend, die wegen ihrer Lage an der Grenze von der Oberpfalz nach Oberfranken und zur Tschechei leider etwas zu kurz kommt, was historische und volkskundliche Belange betrifft. So unterhielten wir uns gerne mit dem aufgeschlossenen Bürger-meister des Orts Münchenreuth, in dessen Nähe die weit bekannte Wallfahrtskirche „Kappl“ liegt, Herrn G. Zindl, über das, was er von den Eigentümlichkeiten der Haus- und Hofhaltung, der Ernährung, der Arbeit und des Brauchtums seiner Bauern vor rund zwei Menschenaltern zu erzählen wußte. Wenn ncch einmal zwanzig oder dreißig Jahre darüber vergangen sind, wird sich kaum mehr jemand an diese Dinge erinnern können.

Um leben zu können, brauchte der Mensch schon immer ein Stück Boden und eine Behausung, die er sein „Daheim“ nannte. Das alte Bauernhaus in Münchenreuth bestand nur aus einem einzigen Wohnraum, der Küche, Schlafzimmer und Werkstatt zugleich war. Da war der Fußboden aus Holz über festgestampftem Lehm, nur nach der Türe zu gab es ein paar Quadratmeter Pflaster. Eine hölzerne Stiege führte zum Dachboden, wo die Schlafkammern für die Dienstboten und erwachsenen Kinder lagen. In ein paar kleinen Nebenkammern des Dachbodens wurden Nahrungsmittel, Bekleidung und Wäsche aufbewahrt. Das Dach war mit Schindeln oder Streh gedeckt. In der Stube stand das Bett an der einen Seite des Raumes. Es gab nur sog. zweischläfrige, d. h. einteilige Bettstellen. Unter dem Bett war ein Kasten aus Brettern — die Schlafstelle für die Kinder. Die Kleinkinder lagen tagsüber in der Wiege, nachts mit den Eltern im Bett. Der Ofen war aus Ziegeln aufgemauert und hatte meist zwei runde Häfen aus Gußeisen. Ein Hafen enithielt sauberes Wasser zum Kochen, der andere Wasser zum Abwaschen und Geschirrspülen. Das Spülwasser mit den Küchenabfällen wurde dann zum Tränken der Kühe verwendet. Halb unter dem Ofen stand das sog. „Trankaschoof“, wo das gebrauchte Eßgeschirr bis zum Spülen aufbewahrt wurde. Die Löffel hingen übrigens zwischen aufgenagelten Bänderschlaufen am Tischrand, was den Nachteil hatte, daß sie manchmal unbeobachteterweise der vierbeinige Freund der Familie ableckte, wenn er sich in der Stube aufhielt. Der Tisch mit großer Schublade und den: unten herumgehenden „Tischischaifalan“ war überhaupt der wesentlichste Bestandteil in der Stube. Auf ihm wurde geschnitzt, gebastelt und gewerkt. Das einfache, teils selbstgefertigte Werkzeug — in der Mundart übrigens der Werkzeug — hing ebenfalls griffbereit in der Stube an einem Brett, das an der Wand festgenagelt war und zahlreiche Einschnitte und Kerben hatte. In der geschwärzten Holzdecke sah man einen Haken, wo das Seil zum Besenbinden eingehängt werden konnte. Der angebaute Stall hatte ein Gewölbe, das je nach seiner Größe von einer oder mehreren Säulen getragen wurde. Da es keine Jauchegrube gab, lief der „Odl“ vom Stall auf den Misthaufen und. suchte sich: nicht selten weiter einen Weg zur Dorfstraße. Die bäuerlichen Geräte standen in der meist ebenfalls angebauten Scheune. Durch ein Loch im Stadeltor ragten zur Winterszeit, wenn die Wagen aufgehoben standen, meist die langen Deichseln heraus.

Was kochte die Bäuerin im alten Münchenreuth? Hafergrieß, „gebremste“ Kartoffeln und „Erdöpflspaoutzn“ bildeten die Hauptnahrung. Die letzteren gibt es noch heute wie früher an jedem Sonntag, Dienstag und Donnerstag. Fleisch fehlte zwar nicht, kam aber selten auf den Tisch. In der Regel wurden zwei Schweine gefüttert, eines zum Verkaufen und eines für den Eigenbedarf. Das „Geräucherte“ war schon immer besonders geschätzt. Gerne wurde mit der Brühe öfter gewechselt; entweder gab es Zwetschgensoße oder Krensoße. Wurst wäre zu teuer gekommen und wurde kaum gegessen. Trotzdem brauchte man nicht Hunger zu leiden. Zum Frühstück konnte man sich an Einbrennsuppe („Gräistesuppm‘“) gütlich tun, etwa um 10 Uhr war Brotzeit mit Malzkaffee und Trockenbrot. Mittags trug die Bäuerin etwa „Gwulcherlbröi“ und Erdäpfel oder „Erdöpfldaoutsch“ auf. Zum „Halwaa-oumbd“, etwa um einhalb fünf Uhr gab es wieder Brot und Kaffee. Nach dem Abendessen gegen 8 Uhr mit einer würzigen Zwiebel- oder Kartoffelsuppe ging es bald zu Bett. Zu fett wurde man dabei nicht. …

… Fortsetzung folgt!

aus: Dr. F. W. Singer, „Sechsämter Land“ Beilage der Sechsämter Neuesten Nachrichten, Jahrgang 13, Nummer 9, 6. Oktober 1962

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