Immer wieder bekommen wir positive Rückmeldungen zu unseren historischen oder heimatkundlichen Beiträgen, die über die letzten Jahre recht regelmäßig erscheinen. Oft greifen wir dabei auf Artikel und Aufsätze des Arzberger Heimatforschers Dr. Friedrich Singer zurück. Er selbst gibt uns die Antwort auf die Frage in einer seiner Veröffentlichungen aus dem Jahr 1959:
„Warum treiben wir Heimatkunde? Laßt doch das Vergangene begraben sein! Sind denn alle diese Mühen, die man sich da um alte Dinge macht, wirklich nötig?“
„Wir geben zur Antwort: In der Form einer kaufmännischen Abrechnung läßt sich der Wert der Heimatkunde freilich nicht feststellen. Aber bei vielen wird die unbewußt im Herzen schlummernde Heimatliebe plötzlich geweckt und zu einem persönlichen Erlebnis werden, wenn jedes Städtchen, jedes Dorf, jeder alte Herrensitz, ja selbst der einsam gelegene Einzelhof von früheren Schicksalen zu erzählen wissen. Haus und Hof, Flur und Feld und selbst der düstere Wald werden sich beleben mit den Gestalten der Vorfahren, von denen uns ‘Kunde geworden ist. Dann wird manchen eine heilige Heimatliebe packen und festhalten mit ihren starken Armen; dann wird gar vieles in der Heimat auf einmal zu uns sprechen mit tausend Zungen, was vorher tot und stumm dalag.
Ja, die Heimatkunde soll nicht allein unser historisches Wissen bereichern; ungleich wertvoller ist ihr Endzweck, das Heimatgefühl zu erwecken, zu stärken und zu vertiefen, jenes innere seelische Zusammenleben mit einem eng begrenzten Stückchen Welt, das bei aller Armut so reich sein kann an Geschichte und Erlebnissen wie eine vom Blute gefallener Helden durchtränkte Walstatt. Wo sich nur Spuren eines echten Heimatgefühls zu regen beginnen, da drängt sich eine der reinsten Quellen aus den Tiefen der menschlichen Brust an die Oberfläche des Lebens. Da klingen die Glocken der Heimatkirche feierlicher vom Turm, da jubilieren die Lerchen inniger über den grünenden Fluren, da scheint die goldene Sonne heißer vom blauen Himmel, da steht der Regenbogen farbenprächtiger gleich einer Himmelsbrücke über dem dunklen Wald, und die Sonne dringt verheißungsvoller durchs schwarze Gewölk, da zieht der Herbstgeruch duftender über die grau werdenden Schollen, und der Winter zaubert herrlichere Märchenbilder als anderwärts im heimatlichen Wald; da breiten sich sehnend die Arme aus, daß sie die teure Heimat umfassen möchten, in deren Mutterschoß wir gebettet sein wollen, wenn unseres Lebens Wanderschaft zu Ende ist.
Erst wenn das Wissen von der Vergangenheit unserer Heimat zu einem inneren Erleben geworden ist, dann hat die Heimatforschung ihren Zweck erreicht, dann werden die aufgewandten Mühen ebenso reiche Frucht tragen wie die in harter Arbeit bestellte Scholle der Heimat. —
Die Heimatkunde soll aber nicht nur einseitig das Leben der Vorfahren der Nachwelt überliefern und ihre Schöpfungen vor der Zerstörung behüten, sondern auch die Brücke bauen, die von der Vergangenheit herüber zur Gegenwart führt, damit sich beide zu einem neuen harmonischen Ganzen verbinden. Brechen wir gefühllos diese Brücke mit der Vergangenheit hinter uns ab, so gleichen wir einem Menschen, der in Frevelmut die engen Fäden zerreißt, die ihn mit seinem; Vaterhaus verbinden. Die Geschichte vom verlorenen Sohn ist ein ernstes Gleichnis für ein Volk, das nichts mehr von seiner Vergangenheit wissen will. Daher soll die Heimatkunde es als ihre vornehmste Aufgabe betrachten, dahin zu arbeiten, daß nicht ein jäher Riß die Gegenwart von der Vergangenheit für immer scheidet.“
(nach Dr. E. Zeh, 1916)
Es kann kommen eine Zeit, da all unser Gold nicht hinreicht, uns ein Bild der vergangenen Tage zu formen.
(Am Museum zu Stockholm)