Als es noch Grenzen gab

Die Maßnahmen zum Corona-Geschehen sind uralt

Die Situation, die wir heute mit dem Corona-Virus sehen, ist nicht neu. Seuchen gab es vor allem im ausgehenden Mittelalter und in der Neuzeit. Allerdings waren vor einigen Jahrhunderten die Wege kürzer, die Reisenden weniger, die Länder kleiner und an deren Grenzen gab es noch Schlagbäume und Kontrollen. Der Grenzort Schirnding an der Grenze nach Böhmen kann dazu in seiner Chronik von Joachim Baschwitz einiges erzählen.

Der „Pass von Schirnding“, das waren die Furt und später die Brücke über den Röslau-Fluss und eine der wenigen Stellen, über die man nach Böhmen, also Eger und Prag, gelangen konnte. Die alte Handelsstraße von Nürnberg zur Reichsstadt Eger und weiter nach Prag führte hierüber. 

So war der Pass 1680 wegen Seuchengefahr komplett gesperrt. In einem Zeitraum von 100 Jahren herrschte die Pest nicht weniger als viermal in Eger und im Sechsämterland. Während Seuchenzeiten war Schirnding Quarantänestation. Es wurden Confin-Wachen eingerichtet, die die Posten an der Zollschranke verstärkten. Alle Reisenden wurden auf ihren Gesundheitspass („Feda sanitatis“) geprüft und auf ihr Herkommen aus einem „Ort reiner Luft“ befragt. 

1712 grassierten unter den Schirnding Kindern die Blattern und die Ruhr, vermutlich durch den regen Reiseverkehr eingeschleppt und begünstigt. Bis 1714 durfte niemand ohne Gesundheitspass über die Grenze. 

Um 1831 verbreitete sich die Cholera über Europa. Dem Grenzort Schirnding kam die wichtige Aufgabe einer Quarantäne-Station zu. Die Reisenden aus Böhmen mussten hier zwangsläufig ihre Reise zeitweilig unterbrechen bis sich herausstellte, ob sie eine ansteckende Krankheit hatten oder nicht. Ihr Gepäck, ihre Briefe usw. wurden mit eisernen Zangen über qualmendem Wacholderfeuer „gereinigt“. 

Der erforderliche Gesundheitspass hatte folgenden Inhalt: Name und Stand des Reisenden, dessen Signaliment, woher derselbe kommt, wohin er zu reisen, welchen Weg er einzuschlagen und welche Wege er zu benutzen gedenkt, Gesundheitszustand des Herkunftsortes, mitgeführte Bagage, Angabe des Ortes, wo der Pass visitiert wurde und noch einiges mehr. Das alles musste durch Siegel und Unterschrift der ausstellenden Ortsbehörde und eines Amtsarztes bestätigt sein. 

In Schirnding musste eine „einstweilige Contumaz“ eingerichtet werden. Alle Häuser jenseits des Röslau-Flusses (also in Richtung Böhmen) mussten geräumt werden und der Quarantäne-Unterkunft zur Verfügung gestellt werden, die zur Räumung Verpflichteten sollten im Ort und auf die benachbarten Dörfer verteilt werden. Sie erhielten zwei Gulden und mehr und eine monatliche Miete. Die Mietzinsliste vom November 1831 nennt 15 Personen. Die beschlagnahmten Quartiere und Scheunen wurden durch Einbringen von Stroh für die Übernachtungen hergerichtet.

Zusätzlich baute der Staat drei Baracken, ein Waschhaus und eine Stallung. Die Quarantäne, das Wort kommt vom 40-tägigen Aufenthalt bei Pestgefahr (frz. quarante – vierzig), dauerte bis drei oder vier Wochen, bis die bayerischen Beamten die Weiterreise genehmigten. Der Gemeindevorstand hatte pflichtgemäß dafür zu sorgen, dass „nahrungsbedrängte Individuen, Handwerksburschen und minderbemittelte Reisende“ notdürftige Verpflegung erhielten. Reiche Reisende mussten sich scheinbar selbst verköstigen.

Die Grenzwache wurde militärisch verstärkt, auch weil der „Contumaz-Direktor resp. Herr Oberzollbeamter“ für eine regelmäßige „Visitation“ der Contumaz-Gebäude zu sorgen hatte. 

1831 wurde eigens eine „Pest-Polízey-Ordnung“ geschaffen und hier sowie in anderen Verordnungen („Beschreibung der Contumaz-Anstalten im kgl.-bayerischen Unterdonau-Kreise“) die Hygiene-Maßnahmen bis ins Einzelne geregelt. Dieser Aufwand wurde bis 1833 betrieben, als sich herausstellte, dass die Cholera Bayern größtenteils verschont hatte. Die Bewohner konnten wieder ihre Häuser beziehen.

Wird es 2020 so weitergehen? Von Hamsterkäufen und Mundschutz wurde damals übrigens nicht berichtet.

Text / Foto: Rainer Schweigert, Hof – Bayerisches Grenzmuseum Schirnding
aus „Schirndinger Chronik & Heimatbuch 2013“

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