„Im Oktober 1914 wurde hier ein Verein für Gemeindediakonie gegründet. Die erste Aufgabe des Vereins war Geld zu sammeln um später ein Kinderbewahrungshort bauen zu können.
Die Nagelschmiedeheleute Johann und Margarete Zeitler hier Hirten von diesem Plan und da ihnen ihre beiden Kinder Lina und Elisabeth schon vor Jahren durch den Tod entrissen wurden, sich auch nach dieser Seite hin verpflichtet fühlten, setzten sie nach eingehender Besprechung mit dem Ortspfarrer aber aus freiem Willen, am 15. Dezember 1915 ein Gemeinschaftliches Testament vor dem hiesigen Noteriat auf worauf ihr gesammter Nachlaß in Besitz des Gemeindediakoneivereins Thiersheim übergehen soll.
Allen Eingeweihten legten sie strengstes Stillschweigen auf. Am 10. November 1918 verstarb wieder Erwarten schnell an der Grippe Herr Johann Zeitler. Seine seit Jahren sehr leidende, sehr nervöse Witwe trug tiefe Trauer. Zu ihrer Einsamkeit fehlte ihr die rechte Pflege und so konnte es auch nicht ausbleiben, daß sie den schweren Winter 1923/24 nicht überlebte. Am 15. Februar 1924 Vormittag 11 1/2 Uhr verstarb die edle Stifterin in einem Alter von 64 Jahren, wie der Leichenschein sagte an Anamie. Am 17.02.1924 wurde sie mit großen Ehren begraben.
Am 18. darauf wurde vom Amtsgericht das Testament eröffnet, wonach der Gemeindediakonieverein Thiersheim in den unbestrittenen Besitz des Nachlaßes eintrat. Am 17. Juni 1924 beschloß die Verwaltung des Vereins des ererbten Haus in ein Kinderheim umzuwandeln. Maurermeister Kropf erhielt den Auftrag. Am 19. Juni 1924 begann man mit den Abbruch der baufälligen Scheune und der noch baufälligeren Schupfens hinter dem Hause.
Mitte August waren die Arbeiten so ziemlich beendet und am 21. August 1924 Abends 9 Uhr konnte die Schreiberin dieser Zeilen (die erste Diakonieschwester) einziehen, feierlich vom Ortspfarrer und einen seitlichen Teil der Pfarrgemeinde begrüßt.
Schon 1914 setzten sich der Ortspfarrer mit Dettelsau in Verbindung und bat um Vermerkung unserer Anstalt, was durch das Mutterhaus zusagte.
Am 22. August 1924 kam die Gehilfin Margarete Schmidt für die Kinderschule, die ersten 8 Tage hatten wir noch ordendlich zu tun mit der Reinigung des Hauses, auch mußten für sämtliche Fenster die Vorhänge genäht werden, den Stoff hierzu besorgte ich um 58 Mark in Hof. Am Montag den 1. September begann mit 46 Kinder die Schule, leider war Herr Pfarrer verreist, sodaß die Eröffnung ohne herzliche Feier geschah. So fingen wir denn in Gottes Namen an und bitten uns einer gesegneten Fortgang des Werkes.
Am 10. September war die kirchliche Einführung durch unsern Hochverehrten Herrn Rektor Lit. Lauerer. Um 3 Uhr kam Herr Rektor mit Herrn Stadtpfarrer Lohrer aus Selb und dem Ortpfarrer Hoch ins Häuschen, wo ihn die Kirchenvorstände und viele Mütter unserer Kinder, deren es an dem Tage 57 waren erwarteten. Nach einer kurzen Begrüßung verteilten wir an die Kinder einige Naschereien, was ihnen die Hauptsache am Tage war. Hier versammelten man sich zu einem gemütlichen Kaffeestündchen, den Kuchen hierzu stiftete Frau Inspektor Meier.“
Text / Fotos: Gerald Scheidt, Thiersheim
