Die Anfänge des „Birnsunnta“ in Schirnding

und die Ursprünge der sudetendeutschen Landsmannschaft vor 75 Jahren

Nachdem im Jahre 1947 in Deutschland durch die Aliierten das Vereinsverbot aufgehoben wurde, gründete Christoph Perlet und Lehrer Alfred Pelzer den „Hilfsverein der Sudetendeutschen“. Alfred Pelzer wurde als Obmann gewählt. Als es dann 1948 zur Gründung der SL kam, war Schirnding die zweite Ortsgruppe im Landkreis Wunsiedel. Die ersten Mitgliedskarten wurden am 21. August 1948 ausgestellt. 

Da eine Vielzahl der vertriebenen Egerländer in der näheren Umgebung von Schirnding ein neues Zuhause gefunden hatten, organisierten im Sommer 1947 und 1948 ehemalige Angehörige der Pfarrei Mühlbach am Schulhof in Schirnding Treffen, die sehr gut besucht waren. 

Das Leben im Ort nach 1945 normalisierte sich. Man erinnerte sich an Feste in der alten Heimat – vor allem an das Vinzenzifest in Eger. Christoph Perlet schlug vor, das in der Egerer Heimat volkstümliche Fest, zu dem alljährlich aus der bayerischen Nachbarschaft sehr viele Gäste nach Eger gekommen waren, jeweils am letzten Sonntag im August zu feiern und ihm den Namen „Birnsunnta“ zu geben.

Warum man den letzten Sonntag im August, an dem alljährlich in Schirnding ein Fest gefeiert wurde, Birnsunnta genannt hat: Hans Nikolaus Krauss hat in einer Abhandlung über die Veranstaltung diesen Sonntag als „Vinzenzitag“ bezeichnet und damit klargestellt, dass es sich um ein besonderes Fest zu Ehren des heiligen Vinzenz handelt, das schon über dreihundert Jahre in Eger und Schirnding gefeiert wurde.

Ende August ist Erntezeit und so entwickelte sich aus dem ursprünglichen Kirchenfest auch ein Erntedankfest, bei dem vor allem viel Birnen feilgeboten wurden; so entstand die landläufige Bezeichnung „Birnsunnta“, mit der auch auf den Plakaten mit „Egerer Birnsunnta“ (Vinzenzifest) zum Besuch nach Schirnding eingeladen wurde.

Wie entstand dieses Kirchenfest und wie war es in Eger? 

Dr. Heribert Sturm, Stadtarchivdirektor in Eger, schreibt dazu:

„Die sterblichen Überreste des Heiligen – des Märtyrers Vinzenz – wurden als kostbare Reliquie aus Rom nach Wien überführt, von dort 1693 nach Eger gebracht, in feierlicher Prozession in der Niklaskirche auf einem besonderen Altar aufbewahrt und bei den alljährlichen Festumzügen in einem besonderen Schrein durch die Straßen der Stadt getragen“ – übrigens 1991 und auch in späteren Jahren beim Birnsunnta in Schirnding.

„Was Beine hat und einen Knopf Geld in der Tasche, der wanderte nach der Stadt“. Es war das Fest in Eger – vielleicht im gesamten Egerland. Der bekannte Liedersammler Albert Brosch schildert mit der Überschrift „Eger 1940“ das Festgeschehen so: „Am Vinzenzitag – der letzte Sonntag im August – fand in Eger das Fest statt. Vormittags war kirchliche Feier, zu der die Bewohner der umliegenden Dörfer (Stadt-Egerer Patronat) mit ihren Kirchenfahnen anrückten. Bei der die Kirchenfeier abschließenden Prozession am Marktplatz wurde „unser“ Lied gesungen. Es handelt sich um das 15 Strophen umfassende Vinzenzilied, das auch in Schirnding gesungen wird. Die 6. Strophe lautet: „Beschütze Eger, Stadt und Land, o Schutzpatron, vor Hunger, Pest und Feuersbrand!“

Das Volks- und Stadtfest am Sonntagnachmittag auf der „Pröllwiese“ (auch Brühlwiese) an der Eger mit Musik, Gesang, Trachtenträgern, Schaustellern aller Art und der gesamten Bürgerschaft Egers und der Umgebung hat der Dichter Johann Wolfgang Goethe in seinen Tagebucheintragungen in den Jahren 1821 und 1822 beschrieben; er hat zweimal an den Vinzenzifeierlichkeiten teilgenommen. Von ihm stammt die berühmt gewordene Verszeile:

„Die Stätte, die ein edler Mensch betrat, ist eingeweiht. Nach Jahren klingt sein Wort und seine Tat dem Enkel wieder.“

(…) In Goethes Tagebuch (VIII S. 231 ff. vom 25. August 1822) werden die Feierlichkeiten detailiert beschrieben. Ebenso wussten der damals 100-jährige Ehrenkreisobmann Carl Wagner und der Egerlandkenner Dr. Hermann Braun ihre Erinnerungen an das große Fest in verschiedenen Veröffentlichungen in den Jahren auszuwerten und anzubieten. Nicht vergessen werden darf der Landsmann Albert Pistorius aus Eger. Er hat den Birnsunnta und den Birnmontag in Eger in Egerländer Mundart in vielen Versen beschrieben und begonnen:

„Wöi mia dahoim Birnsunnta g´haltn
Des kenna heint nea nu die Altn,
drum ho(b) in denkt, i tous probiern
lou alls irn Geist nuamal aafmarschiern“.

In Schirnding sollte es vorrangig ein Treffen der Heimatvertriebenen sein. 1949 war der erste Birnsunnta am Schulhof in Schirnding. Zu diesem Fest kamen bereits 7000 Egerländer aus nah und fern. Im Mittelpunkt standen wie beim Egerer Vinzenzifest die Erntegaben, die beim Festgottesdienst gesegnet wurden. Traditionell wie beim Vinzenzifest in Eger war am Sonntag der farbenfrohe Festzug der Höhepunkt des Festes. Musik- und Trachtengruppen aus ganz Deutschland nahmen daran teil. Auf den Festwägen wurde von der Saat bis zum Brot der ganze Jahresablauf dargestellt. 1950 waren es schon 20.000 Besucher die in den kleinen Grenzort kamen. Diese Besucherzahlen hielten sich mit einer Toleranz von + – 500 Besuchern bis 1990.

(…)

Auszug aus dem Schirndinger Heimatbuch – Chronik / Fotos: Archiv

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