Grüne Insel im Meer der Wälder

Plauderei um den Burgberg von Neuhaus

Wer den Hachtenbrunnenwald zum ersten Mal durchstreift und im Wellertal die Eger überschreitend durch den Hinterwald weiter nach Süden wandert, könnte beinahe Angst bekommen, dass dieser Wald vielleicht wie im Märchen gar kein Ende mehr nähme. Da führt nicht weit voraus der Weg doch einmal ins Freie und läuft dann weiter zwischen Feldern und Wiesen dahin. Das Dorf Neuhaus ist nicht mehr ferne, aber es versteckt sich noch hinter dem Rücken eines Berges, den die Natur in später Laune nachträglich in die Landschaft setzte. Er entstand auch, wie manches launisches Werk in mächtiger Hitze und unter heftiger Aufwallung der Erde, aus deren Inneren er hervorquoll. Aber längst ist der zähflüssige Lavabrei zu sprödem Basalt erstarrt. Über den Berg hin wachsen die Bäume um das hohe Waldgras wie unten im Tal. Wirr verstreut liegen mit Moos verbrämte oder nackte Basaltkugeln. Schon auf halber Höhe des Berges spürt man, dass der Aufstieg die Mühe lohnt, denn im Verschnaufen schauen wir zwischen den Lücken der Fichten und Föhren zurück auf ein weites Stück des Gebietes, durch das wir kamen.

Über den verwachsenen Wall der zerstörten Burgveste steigen wir vollends empor zum Gipfel des Berges und blicken ringsum. Da liegen im Norden über sanfte Hügel hingebreitet die Forste und Wälder soweit wir schauen. Dazwischen eingesenkt im Tal schlängelt sich schmal wie ein Band aus schwarzem Samt der Egerfluß heran und windet sich um den halben Fuß des Berges. Das Bild erinnert wie kein anderes an die verwandte Landschaft des Böhmerwaldes, wo das Meer des Waldes ebenso Berge und Täler überflutet. Wir stehen wie auf einer ruhigen Insel mitten darin und hoch darüber. 

Im Nordwesten ragt das Massiv des Kornbergs als das nächste festländische Gestade aus diesem blaugrün wogendem Meer. Dazwischen liegen harmonisch abgerundete Eilande vom Waldmeer umspült. Hinter dem Felsrücken von Thierstein mit seinem einsam ragenden Turm steht jetzt die sinkende Sonne.

Nach Westen zu weiter bilden die höchsten Berge des Fichtelgebirgshufeisens den Horizont. Wir kehren der Sonne den Rücken. Da fließt zwischen dem laubgrünen Hengstberg und dem Kohlwald die Eger hinaus wie durch ein offenes Tor, den „grünen Hügeln Böhmens“ entgegen. O Heimatland, wie bist du weit und schön!

Nach Süden zu steigt der Berg gemächlich hinab zum Fuße des Steinbergs, nimmt ein paar Höfe des weit zertragenen Dorfes Neuhaus vor dem Nordwestwind in Schutz, trägt Äcker und Wiesen auf seinem breit geschwungenem Rücken. 

So vulkanisch heiß und ungestüm der Berg in vorgeschichtlicher Zeit entstand, er wurde träge und geduldig und ließ es sich gefallen, daß Menschenhand ein Nest auf seinem Haupt baute, just wie einen Geier- oder Rabenhorst. Aber es wurde von den mannhaften Egerer Zünften bald wieder den Berg hinabgeworfen, als die Raubvögel die Gegend allzusehr unsicher machten. Die Egerer zerstörten die Burg dabei so gründlich, daß es schon vor hunterfünfzig Jahren schwer fiel, ihre einstigen ungefähren Umrisse aufzuzeichnen. Unserer Zeit blieb es vorbehalten, den Berg selbst anzupacken und sein innerstes Eingeweide auszurauben. Ein Basaltsteinbruch an der Ostflanke des Bergs wird bald die letzten Mauerreste der Burg und den Gipfel des Berges selbst zum Einsturz gebracht haben.

Fichte um Fichte krallt sich verzweifelt in den Felsgrund und stürzt mit dem gesprengten Gestein in die Tiefe. Hier, wo sich, wie selten in unserer engeren Heimat, Natur und Geschichte vereinen zur Vermittlung eines großen Erlebnisses, wird die planmäßige Zerstörung umso schmerzlicher empfunden. Der gelbe Fingerhut, der Seldelbast und andere bei uns selten gewordene Pflanzen, die sich hierher zurückgezogen haben, ermahnen uns beim Abstieg, an ihren und des Berges Schutz zu denken.

Es gilt, ein Natur- und Geschichtsdenkmal zu retten!

Text : Dr. Friedrich Wilhelm Singer, „Sechsämter Land“ Beilage der Sechämter Neuesten Nachrichten, Nummer 2, 20. April 1950

 


 

Beim Lesen dieser Zeilen denkt man eher an den großen deutschen Dichter der Romantik Heinrich Heine und seine „Harzreise“, als an den Arzt und Historiker F.W. Singer. Bei der Beschreibung der Landschaft scheint Singer alle Register ziehen zu wollen um dem Leser die Besonderheit des Fichtelgebirges, seiner Heimat nahe zu bringen.

„O Heimatland, wie bist du weit und schön!“ – es ist Singers Heimatliebe, die aus den Formulierungen des Textes zu uns spricht.

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